Frankfurter Mediziner:innen testen Leukämie-spezifische Therapie erfolgreich in präklinischer Studie
Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 13.000 Menschen an Leukämien, von denen trotz intensiver Chemotherapien bis zur Hälfte an der Krankheit versterben. Hinzu kommt, dass die Therapien starke Nebenwirkungen haben und insbesondere die Neubildung gesunder Blutzellen hemmen. Ein Team der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Goethe-Universität Frankfurt hat nun eine neuartige Therapie in einer präklinischen Studie getestet, die auf einer therapeutischen RNA basiert. Durch die Behandlung überlebten die Versuchstiere signifikant länger als unbehandelte Tiere. Die Hoffnung ist nun, dass diese Leukämie-spezifische Therapie zukünftig existierende Chemotherapien unterstützen kann.
FRANKFURT. In Deutschland
erkranken jährlich etwa 13.000 Personen an Leukämien, einem Sammelbegriff, der
verschiedene Formen von Blutkrebs zusammenfasst. Unter den Betroffenen ist auch
ein hoher Anteil an Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren. Eine häufige Form
der Leukämie bei Erwachsenen ist die akute myeloische Leukämie (AML), bei der
frühe Vorstufen der Blutzellen entarten – die Stammzellen und die daraus
hervorgegangenen Vorläuferzellen. Bei Kindern ist die AML die zweithäufigste
Leukämie und macht rund vier Prozent aller bösartigen Erkrankungen im Kindes-
und Jugendalter aus. Trotz Behandlung mit intensiver Chemotherapie überleben
nur zwischen 20 Prozent und 50 Prozent der Erkrankten die ersten fünf Jahre
nach Diagnose und Behandlung; die Hälfte oder mehr erleiden einen Rückfall und
versterben. Hinzu kommt, dass die intensiven Therapien sehr starke
Nebenwirkungen haben und insbesondere die blutbildenden Stammzellen schädigen.
Neue, spezifisch auf die AML zugeschnittene Therapieansätze werden deshalb
dringend gesucht.
Eine solche Leukämie-spezifische Therapie
haben nun Forschende um Prof. Jan-Henning Klusmann von der Klinik für Kinder-
und Jugendmedizin sowie Prof. Dirk Heckl vom Institut für Experimentelle
Pädiatrische Hämatologie und Onkologie der Goethe-Universität Frankfurt im
Tierversuch erprobt. Sie behandelten an Blutkrebs erkrankte Versuchstiere mit
einem therapeutischen RNA-Molekül, das sie in Lipid-Nanopartikel verpackten.
„Mit der Verpackung in Lipid-Nanopartikel haben wir im Prinzip die gleiche
Technik angewendet, die bei der COVID-19-Vakzinierung zum Einsatz kam“, erklärt
Klusmann. „Die Lipid-Nanopartikel ermöglichen es der therapeutischen RNA, in
die Blutzellen aufgenommen zu werden.“
Für die therapeutische RNA miR-193b war
bereits 2018 eine vor Krebs schützende Wirkung beschrieben worden. In gesunden
Zellen bremst miR-193b nämlich Signalwege, die nur zur Vermehrung von Zellen
aktiviert werden und ansonsten von der Zelle wenig genutzt werden. Daher wird
miR-193b als sogenannter Tumorsuppressor bezeichnet. In AML-Zellen liegt
miR-193b jedoch in zu geringer Menge vor und kann deshalb seine Aufgabe als
Tumorsuppressor nicht erfüllen. „Seit vielen Jahren werden Wirkstoffe getestet,
die hemmend in diese Signalwege eingreifen, die von AML-Zellen genutzt werden“,
so Heckl. „Solche Wirkstoffe greifen aber immer nur an einer Komponente an,
während miR-193b auf allen Ebenen des Signalweges wirkt. Das stoppt sehr
effizient die Teilung der entarteten Zellen und führt dazu, dass die
Leukämie-Zellen schnell absterben.“ Ein weiterer Vorteil der therapeutischen
RNA ist, dass sie anders als die gängigen Chemotherapien die Stammzellen des
blutbildenden Systems nicht schädigt, da diese nicht auf die unterdrückten
Signalwege angewiesen sind.
Die Behandlung mit den
Wirkstoff-Nanopartikeln wurde von allen Versuchstieren gut toleriert und bekämpfte
die Blutkrebszellen erfolgreich, wie Klusmann zusammenfasst: „Bei allen
behandelten Tieren konnte die Überlebenszeit deutlich verlängert werden, bei
einzelnen Tieren kam es sogar zu einer Heilung.“ Besonders ermutigend ist, dass
miR-193b bei allen getesteten AML-Unterformen wirkte: Für die Versuche wurden
vier verschiedene Arten von Krebszellen untersucht, darunter eine, die bei
Menschen mit Down-Syndrom häufig auftritt. „Nicht-kodierende RNAs und ihre Gene
hat man früher für DNA-Schrott gehalten“, erklärt Klusmann. „Nun haben wir eine
darauf basierende Therapie entwickelt, die eine neue und sehr spezifische
Behandlungsmöglichkeit für myeloische Leukämien verspricht.“ Die Hoffnung ist,
dass diese Therapie zukünftig Chemotherapien unterstützen kann, die auf diese
Weise weniger intensiv sein müssen.
Publikation: Hasan
Issa, Raj Bhayadia, Robert Winkler, Laura Elise Swart, Dirk Heckl, Jan-Henning
Klusmann: Preclinical testing of miRNA-193b-3p mimic in acute myeloid
leukemias. Leukemia 37, 1583 (2023) https://doi.org/10.1038/s41375-023-01937-6
Weitere Informationen
Prof.
Dr. med. Jan-Henning Klusmann
Direktor
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Frankfurt
Tel: +49 (0)69 6301-5094
klusmann@em.uni-frankfurt.de
kkjm.direktor@gmail.com
www.kgu.de
www.leukemia-research.de
Prof. Dr. Dirk Heckl
Institut für Experimentelle Pädiatrische Hämatologie und Onkologie
Goethe-Universität Frankfurt
d.heckl@kinderkrebsstiftung-frankfurt.de
Twitter: @jhkmann @jhklusmann @goetheuni
@UK_Frankfurt
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für
Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax
069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de