Erfahrungsbericht : Praktikumaufenthalt London

London Youth Arts Network

01.03.2005 – 30.06.2005

Bevor ich nach London zu meinem Praktikumaufenthalt abreiste, hatte ich bereits eine recht intensive Zeit der Vorbereitung und Organisation hinter mir. Beinahe ungläubig realisierte ich, dass ich nun tatsächlich aufbreche, zu dem Ereignis, auf dass ich die letzten Monate hingearbeitet hatte. Von dem Entschluss, mein Hauptpraktikum in London zu absolvieren, bis zu diesem Tag war viel Zeit vergangen, ca. ein Jahr. In dieser Zeit hatte sich die Idee geformt, ich hatte nach Möglichkeiten geforscht, Organisationen in verschiedenen Ländern und Städten im Internet gesucht, versucht telefonisch und per E-Mail Kontakte zu knüpfen. Bereits in dieser Phase sammelte ich schon viele interessante Informationen über Organisationen, die im (hauptsächlich) außerschulischen Bereich mit Kindern und Jugendlichen kreativ arbeiten und lernte mehr über nationale Hintergründe in der Erziehungswissenschaft. Dies spornte mich an, fortzufahren. London kristallisierte sich als ein Zentrum vieler Möglichkeiten in diesem Bereich heraus. Außerschulische Bildungsprogramme im künstlerischen Bereich und in den „Performing Arts“, vor allem auch das Angebot für ‘unterprivilegierte’ Jugendliche, schienen einen großen Stellenwert einzunehmen, darauf ließen die Ziele und Hintergründe der Organisationen und Projekte, Initiativen und Plattformen schließen. So bewarb ich mich bei einigen Organisationen, die interessante Projekte und Kurse für Jugendliche anboten.

Im Sommer 2004 fuhr ich für einige Tage nach London, um einen lebendigeren Eindruck von der Stadt zu bekommen und um mich vorzustellen. The Roundhouse, das sowohl eine bekannte Bühne in Nord-London ist, als auch einen großen Bereich in Performing Arts und Media Arts für Jugendliche bietet, empfahl mich weiter an das London Youth Arts Network (LYAN), einer non-profit Netzwerk- und Dachorganisation für den Londoner Youth Arts Sektor, der sich das Roundhouse selbst angeschlossen hat. Nach weiterer Korrespondenz mit der Ansprechpartnerin von LYAN und beidseitigen Überlegungen, wie und wann man den Plan zu jeweiliger Zufriedenheit in die Tat umsetzen könne, bekam ich im November 2005 eine Zusage. Somit stand fest, dass ich am 1.März 2005 mein Praktikum beginnen konnte.
Von da an, war Eile geboten. Ich hatte mich in der Zwischenzeit kundig gemacht, welche Möglichkeiten es gab, mein Praktikum zu finanzieren. Einen Teil wollte ich versuchen, durch ein Leonardo da Vinci-Stipendium für Auslandspraktika in der EU zu finanzieren, für das ich mich bewarb. Erfahren hatte ich von dem Programm durch das International Office in der Universität, in dessen Beratungsstunde ich ging. Weiterhin musste ich mich darum kümmern, eine Vertretung für meine Stelle als studentische Hilfskraft in der Universität zu finden, mein Zimmer unter zu vermieten, eine Unterkunft in London zu finden, meinen Aufenthalt in London weiterhin finanziell abzusichern, meine laufenden Kurse zum Ende des Semesters abzuschließen etc. Schließlich aber saß ich am Flughafen und wartete auf meinen Flug nach London.

Durch den Londonaufenthalt im vorausgegangenen Sommer war ich bei meiner Ankunft am Flughafen gut über das Verkehrsystem informiert und hatte keine Probleme, zu meiner Unterkunft zu finden. Außerdem hatte ich einen A-Z Straßenatlas (den kriegt man sehr einfach, ist in den meisten Shops zu finden), was sich in einer großen Stadt wie London sehr empfiehlt! Meine Unterkunft hatte ich im Internet gefunden. Es gibt mehrere viel besuchte und kostenlose Seiten, in denen WG’s gesucht und angeboten werden. Da ich von Deutschland aus suchte, hatte ich allerdings einen Nachteil auf der Zimmersuche, da ich nicht einfach in einer WG ‘vorbeischauen’ konnte. Um eine Unterkunft in einer WG zu finden, empfehle ich die Seiten www.moveflat.com und www.gumtree.co.uk. Meine Unterkunft lag in East Finchley, was im Norden der Stadt liegt. Da meine Praktikumstelle auch nördlich vom Zentrum der Stadt und an der gleichen Underground Linie liegt, war das für mich günstig. Im Laufe meines Aufenthaltes bestätigte sich dieser Vorteil, da es trotz U-Bahn System tatsächlich sehr lange dauern kann, von einer Seite Londons zur anderen zu reisen, einfach weil die Stadt sehr groß und räumlich ausgedehnt ist.
East Finchley liegt etwas fernab der Stadt (ist jedoch mit Tube und Bussen gut zu erreichen), die Gegend ist aber recht schön und sicher. Mein Zimmer war klein und kostete genauso viel Miete wie meine ganze Wohnung in Frankfurt – damit muss man allerdings in London rechnen. Die Mietpreise sind generell sehr hoch. Das Haus war schön, aber etwas vernachlässigt. Das Badezimmer war nicht sehr modern und der Vermieter sparte an der Heizung. Die anderen Mitbewohner waren nett, nur der Vermieter, der auch im Haus wohnte, machte das Zusammenleben schwieriger, da er meiner Meinung nach etwas launisch und unberechenbar war. In der Zeit meines Aufenthaltes wohnten immer ca. 5 Personen verschiedener Nationalitäten und verschiedenen Alters im Haus. Die anderen Mitbewohner empfand ich als nett, mit manchen traf ich mich auch manchmal in meiner Freizeit oder man unterhielt sich mal abends beim Kochen. Das Zusammenleben bedeutete aber auch, sich zu fünft nur ein Badezimmer zu teilen, in dem es nur morgens und abends warmes Wasser (und Heizung) gibt. Ebenso gab es nur eine Kochgelegenheit und ein Telefon, das der Vermieter so eingerichtet hatte, dass es nur morgens, abends und am Wochenende funktioniert. Trotzdem halte ich persönlich es für empfehlenswert, in eine WG zu ziehen, da es sicher einfacher ist, andere Personen außerhalb der Praktikumstelle zu finden, mit denen man sich mal treffen kann. Außerdem gibt es ein Zusammenleben, Austausch über alltägliche Dinge, Gespräche, Informationen und Tips von den anderen etc. Es wäre aber sicher besser, wenn man sich die WG vorher ansehen kann, bevor man einfach blind einzieht!

In meiner Praktikumstelle, dem London Youth Arts Network (LYAN), wurde ich freundlich begrüßt, vorgestellt und aufgenommen. Ich wurde in das momentane Geschehen eingeführt und hatte ein paar Tage Zeit, mich langsam einzugewöhnen; anfangs bekam ich einige Rechercheaufgaben, die mir einen Überblick über das Tätigkeitsfeld der Organisation verschaffen sollten. Meine Arbeitskollegen bei LYAN waren die Direktorin, Celia Coram, die eine volle Stelle besetzt, und eine Teilzeitbeschäftigte, Alya Din, die hauptsächlich für administrative Tätigkeiten beschäftigt ist. Da LYAN im April 2005 das Festival of London Youth Arts (FLYA 2005) veranstaltete, liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Für FLYA gab es ein zusätzliches Team, das aus weiteren 5 freiberuflich Tätigen für die Bereiche Marketing, PR, Outreach, Direktion, Fundraising, Betreuung der Youth Arts Ambassadors (eine Gruppe freiwilliger jugendlicher Helfer, siehe Fachbericht) zuständig war. Außerdem halfen einige Volunteers. Insgesamt war es ein Team sehr verschiedener Persönlichkeiten, das gut zusammen arbeitete, sich gemeinsam über Erfolge freuen konnte, aber auch in stressigeren Situationen sich einer auf den anderen verlassen konnte. In regelmäßigen Teamsitzungen wurden alle über die verschiedenen Bereiche auf dem Laufenden gehalten, Unklarheiten wurden besprochen und Kritik geäußert. Die intensive Zusammenarbeit rund um das Festival band die Mitarbeiter schnell in das Team ein und die Erlebnisse während des Festivals selbst waren etwas sehr außergewöhnliches und ebenso verbindendes. Zu besonderen Anlässen gingen die Teammitarbeiter auch mal gemeinsam aus. Ich fühlte mich von meinen Arbeitskollegen freundlich und offen aufgenommen und respektiert. Die Mitarbeiter im Team waren alle verschiedener ethnischer Herkunft, wenn ich auch die einzige nicht Muttersprachlerin war. In Anbetracht dessen, dass in London sehr viele verschiedene Volksgruppen angesiedelt sind und in meiner Arbeitsstelle nicht überwiegend eine Kultur herrschte, fühlte ich mich überhaupt nicht ausgeschlossen oder fremd aufgrund meiner Herkunft. Ebenfalls war es sicher von Vorteil, dass ich die Landessprache Englisch beherrschte und so nicht von Konversationen ausgeschlossen war. Das Arbeitsklima bei LYAN empfand ich als angenehm. Trotz vieler Arbeit nahm sich immer jemand Zeit, um mich einzuführen. Wenn mal eine Pause war, wurden Fragen besprochen, Tipps gegeben oder neue Ideen geboren. Die Arbeit wurde mit Spaß und Engagement angegangen und der Umgangston war immer freundlich.

Generell habe ich den Eindruck, dass es in einer Großstadt wie London nicht einfach ist, ohne bestehende Kontakte oder über Arbeitskollegen Freunde zu finden.
Ich denke, dass ich in London in einer glücklichen Position war: Die Leute in meiner Arbeitsstelle waren nett und hilfreich und teilten viele Interessen mit mir. Sie erkundigten sich nach mir, interessierten sich für mich und gaben mir Tipps und Neuigkeiten, die mich interessieren könnten, auch für Freizeitaktivitäten. Außerdem war ich mit meinem Praktikum an einer Quelle meines Interesses und an Inspiration. Aktivitäten, die wir gemeinsam unternahmen, kreuzten oft die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeitvergnügen.

In meiner freien Zeit besuchte ich viele Galerien und genoss die Möglichkeiten kulturellen Erlebnisses, die London zu bieten hat. Viele Museen und Galerien sind so groß und stellen so viele großartige Kunstwerke aus, dass es sich empfiehlt, wiederzukommen. Ich besuchte auch einige Tanzaufführungen weltbekannter Tänzer und Gruppen. Es ist so einfach, dies in London zu tun: eine spontane Entscheidung genügt, da ein riesiges Angebot besteht – und oftmals sind kostengünstige Tickets für Vorstellungen zu bekommen. Ballette bzw. Tänzer wie die, die ich sah, würde ich in Frankfurt nur mit großem Glück jemals zu sehen bekommen! Unweigerlich und glücklicherweise sah ich ebenfalls viele (großartige) Shows von jungen Performern in allen möglichen Feldern der Performing Arts: Spoken Word, Tanz, Schauspiel, Musik, Film etc.
Einmal wöchentlich besuchte ich selbst eine Ballettklasse in der Nähe meiner Unterkunft, um selbst in Übung zu bleiben. Auch dort traf ich nette Menschen in meinem Alter, die ein Interesse mit mir teilten und größtenteils in der gleichen Gegend wohnten! Ich hatte immer genügend Pläne für die Wochenenden und einige Alternativen sind noch immer offen. Wenn das Wetter gut war, ging ich auch mal in einen der vielen Parks, was ein bisschen Abstand von der Stadt brachte. Oder ich besuchte einen der vielen Märkte, wie den bekannten und “verrückten” Camden Market.
Trotzdem ich recht viel in der Stadt herum kam, habe ich nur Teile der Stadt kennen gelernt. Die Stadt dehnt sich in alle Richtungen so weit aus, dass es quasi unmöglich ist, London zu “kennen”. Ich bevorzugte es, viel zu laufen oder Busse zu nehmen, da ich mir so besseren Überblick beschaffen konnte und mehr von der Stadt sah. Ich habe das Gefühl, einiges über die Stadt gelernt und kennen gelernt zu haben, manche Teile sind mir sehr bekannt, aber vieles auch noch unerkundet.
Meine Sprachkenntnisse sowie mein englischer Wortschatz haben sich definitiv durch den mehrmonatigen Aufenthalt verbessert, was sich durch die viele Praxis, private und fachbezogene Gespräche, leicht erklären lässt. In Hinblick auf mein Studium und meine berufliche Zukunft bewerte ich meinen Aufenthalt und meine bei LYAN gesammelten Erfahrungen als sehr wichtig und unverzichtbar! Ich bin sehr froh, mich für das Praktikum entschieden zu haben, auch wenn es sehr viel Organisation und Planung gekostet hat und es nicht einfach ist, einen Aufenthalt für ein unbezahltes Praktikum in London zu finanzieren. Ein Praktikum wie dieses bei LYAN hätte ich in dieser Form an keinem anderen Ort machen können und ich möchte meine dort gewonnene Erfahrung auf keinen Fall missen!


Antje Schneider
Frankfurt am Main, 05. Juli 2005