Trans*, inter* und nicht-binär feindlicher Feminismus (TIN*feindlicher Feminismus)

TIN*Feindlicher Feminismus Titelbild

Geht es um das Thema Geschlecht, dann ist weiterhin die Annahme verbreitet, dass sich Personen von Geburt an aufgrund körperlicher Merkmale in lediglich zwei klar voneinander unterscheidbare Geschlechter einteilen ließen: in Männer und Frauen. Bei dieser Annahme wird gleichzeitig davon ausgegangen, dass sich die jeweiligen Personen auch automatisch mit dem bei ihrer Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren.

Mit der Vorstellung von zwei Geschlechtern werden ganze Lebensbereiche, Alltagssituationen und Gegenstände, die alle Menschen betreffen, in zwei Kategorien unterteilt und festgeschrieben. Angefangen von Namen und Kleidung und sogar Farben bis hin zu Baumaßnahmen, ist unsere Gesellschaft noch immer danach ausgerichtet, dass Personen als entweder männlich oder weiblich kategorisiert werden. Diese binäre Sichtwiese von Geschlecht verkennt allerdings die Vielfalt und auch Komplexität von Geschlechtsidentitäten, die eine zutiefst persönliche und subjektive Erfahrung sind. Die Anerkennung von mehr als zwei Geschlechtsidentitäten ist seit 2018 auch durch die Änderung des Personenstandsgesetzes rechtlich verankert.

Nicht alle Menschen identifizieren sich mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, wie zum Beispiel trans* Personen. Diese müssen sich aber auch nicht zwangsläufig einem der binären Geschlechter zugehörig fühlen und/ oder können auch nicht-binär sein. Nicht-binäre (manchmal auch non-binäre) Personen identifizieren sich weder als Mann noch als Frau. Personen, die nicht den typischen eindeutigen Vorstellungen geschlechtlicher Körpermerkmale entsprechen, bezeichnen sich als inter* oder auch intergeschlechtliche Personen.

Trans*, inter* und nicht-binären Personen werden auch unter der Abkürzung TIN* zusammengefasst. Weitere Informationen zu verschiedenen Geschlechtsidentitäten und Begrifflichkeiten finden Sie hier.

Unterschiedliche feministische Perspektiven auf geschlechtliche Vielfalt

Es gibt nicht den einen Feminismus. Daher gibt es auch nicht die eine feministische Perspektive auf das Thema geschlechtliche Vielfalt. Unter den feministischen Strömungen gibt es außerdem teilweise große Überschneiden und sie sind nicht immer klar voneinander abzugrenzen. Wir haben hier eine Auswahl an Positionen zusammengefasst.

Dem Queerfeminismus liegen Theorien zugrunde, die davon ausgehen, dass Geschlecht keine rein biologische Kategorie ist. Judith Butler und ihre philosophischen Schriften ist eine der prominentesten Vertreter*innen. Aus dieser Perspektive haben Menschen ein körperliches und ein soziales Geschlecht (im Englischen unterschieden durch sex und gender), das mit bestimmen Geschlechterrollen verknüpft ist. Diese Rollenbilder – also die gesellschaftliche Vorstellung davon, wie eine Person auszusehen und sich zu verhalten hat – ist demnach nicht „natürlich“ gegeben oder biologisch begründet, sondern sozial und kulturell bestimmt, was sich auch im historischen Wandel der Rollenbilder zeigt. Im Queerfeminismus wird die Auffassung kritisiert, es gäbe nur die zwei Geschlechter Mann und Frau, die sich gegenseitig begehren, also heterosexuell sind. Dem Queerfeminismus nach gibt es eine ganze Bandbreite der Geschlechter, Sexualitäten und Begehrensformen.

Zudem wird im Queerfeminismus davon ausgegangen, dass alle Menschen sehr unterschiedliche Erfahrungen machen können. So erleben Frauen, die sich mit dem bei ihrer Geburt zugeschriebenen Geschlecht identifizieren (cis-Frauen) möglicherweise ganz andere Diskriminierungsformen als trans*, inter* und nicht-binäre Personen. Auch andere Merkmale wie die sexuelle Orientierung bzw. Identität, die Religionszugehörigkeit und Weltanschauung, rassistische Zuschreibungen (anhand phänotypischer Merkmale, vermuteter Herkunft, Religion, Name usw.), eigene und familiäre Migrationserfahrung sowie internationale Bildungsbiografien, soziale Herkunft und familiärer Bildungshintergrund sowie sozialer und finanzieller Status, körperliche und psychische Beeinträchtigungen sowie chronische Erkrankungen, Alter, Familienstatus und Care-Aufgaben in Familie und Pflege können eine dabei Rolle spielen. Wenn eine Person aufgrund von mehreren dieser Kategorien benachteiligt wird, wird von Mehrfachdiskriminierung gesprochen.

Mit diesen Mehrfachdiskriminierungen beschäftigen sich auch die Strömungen des Intersektionalen Feminismus. Intersektionaler Feminismus ist aus der Schwarzen US-amerikanischen Frauenbewegung entstanden und nimmt die Überschneidungen und Wechselwirkung von unterschiedlichen Diskriminierungsformen in den Blick. Die amerikanische Juraprofessorin Kimberlé Crenshaw prägte den Begriff ‚intersektional' bereits 1989.

Im Intersektionalen Feminusmus stehen neben Geschlecht beispielsweise auch die Kategorien ‚race‘ und ‚class‘ im Fokus. ‚Race‘ bezieht sich auf Diskriminierungserfahrungen aufgrund rassistischer Zuschreibungen, aufgrund von Hautfarbe, äußerer Erscheinung, Sprache, Migrationsgeschichte (in der Familie), oder auch Religion. ‚Class‘ meint die soziale Herkunft und ist durch die Schicht- oder Klassenzugehörigkeit einer Person bestimmt, also zum Beispiel durch das Einkommen oder den Bildungsstand der Eltern. Eine der bekanntesten Vertreter*innen des Intersektionalen Feminismus ist Natasha A. Kelly.

Radikalfeministische Positionen gehen davon aus, dass gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse darauf zurückzuführen sind, dass Männern und Frauen nicht gleichgestellt sind. Existierende Geschlechterrollen sind zum Vorteil des Mannes ausgelegt. Vertreter*innen des Radikalfeminismus geht es daher darum, bestehende einengende Geschlechterrollen und die damit verbundenen Hierarchien abzubauen. In diesem Sinne ist der Radikalfeminismus nicht allgemein trans*feindlich. Allerdings gibt es aber auch Strömungen, die die Anerkennung und Inklusion von TIN*-Personen in feministischen Bewegungen ablehnen.

Diskriminierung von TIN* Personen

Durch die Vorstellung, dass es nur zwei Geschlechter gebe, sind trans*, inter* und nicht-binäre Personen in vielen Alltagssituationen Hürden und Diskriminierungen ausgesetzt, da sie scheinbar nicht den gesellschaftlichen Erwartungen an Männer und Frauen entsprechen. Viele trans*, inter* und nicht-binäre Personen erfahren in ihrem Alltag Diskriminierung und Ausgrenzung. Insbesondere trans *Frauen erleben geschlechtsspezifische Diskriminierung, sind eher Gewalt ausgesetzt und haben einen schlechteren Zugang zur Gesundheitsversorgung.


Eine sehr herausfordernde alltägliche Situation, die von vielen TIN*Personen angesprochen wird, ist der Gang zur Toilette. Es kommt vor, dass sie dem falschen Geschlecht zugeordnet werden (misgendern) und ihnen unterstellt wird, die falsche Toilette zu nutzen. Nicht selten werden sie angestarrt oder gar beschimpft. All-Gender WCs können für TIN*-Personen ein diskriminierungsärmerer Zugang zu Toilettenanlagen sein. Auch die Gothe-Universität hat an verschiedenen Campus Standorten die ersten All-Gender-Toiletten eingeführt (weitere Informationen dazu können hier abgerufen werden).
Der Ausschluss von trans* Personen aus den feministischen Bewegungen untergräbt den eigentlichen Kern verschiedener feministischer Strömungen: unterdrückende Strukturen abzubauen, welche die Ungleichheit und Diskriminierung zwischen den Geschlechtern aufrechterhalten, restriktive Geschlechternormen, die alle Menschen in ihrer Geschlechtsidentität einengen, abzuschaffen und den Einsatz dafür, alle Menschen mit Würde und Respekt zu behandeln.
Historisch betrachtet ist der Ausschluss von trans* Personen aus den Emanzipationsbewegungen marginalisierter Gruppen kein neues Phänomen, sondern fand zum Beispiel teilweise auch bereits in den Frauen- und Schwulenrechtsbewegungen der 1960er und 70er statt. Für diese Gruppen war es zunächst von großer Bedeutung, Frauen bzw. Homosexuelle als Subjekte zu beschreiben, um ihre Rechte erkämpfen zu können. Dies führte aber auch immer wieder zu Aushandlungen darüber, wer dazugehören soll und wer nicht.
Daran schließen auch heutige Debatten an. Immer wieder gibt es Diskussionen über den Zugang zu geschützten Räumen wie z.B. Frauenhäuser, Toiletten oder Umkleiden. Trans* exkludierende radikale Feminist*innen vertreten die Meinung, dass trans* Frauen der Zugang nicht gewährt werden sollte. Diese Argumentation diskriminiert trans*, inter* und nichtbinären Menschen, da sie ihnen ihre eigenen Erfahrungen bis hin zu ihrer eigenen Existenz abspricht und ihnen das Gefühl vermittelt, sie gehören in unserer Gesellschaft nicht dazu.
Feminist*innen, die trans*Personen und im Speziellen trans* Frauen ausschließen, beschreibt die britische Bloggerin Viv Smythe als „trans* exclusionary radical feminist“ (auf Deutsch „trans* exkludierende radikale Feminist*in,“ kurz auch TERF genannt). Sie argumentieren, die Geschlechtsidentität einer Person basiere ausschließlich auf biologischen Merkmalen wie Genitalien oder Chromosomen. Für sie bedeutet es, dass nur Personen mit von Geburt an weiblichen Geschlechtsmerkmalen Frauen sein können. Dadurch werden trans* Frauen nicht als Frauen anerkannt und somit aus feministischen Bestrebungen für Geschlechtergerechtigkeit ausgeschlossen. Alice Schwarzer und der von ihr gegründeten Zeitschrift EMMA oder der Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes wurde beispielweise in der Vergangenheit vorgeworfen, diese Positionen zu vertreten.

Solidarität und Diskriminierungsschutz

Die Vielfalt der Geschlechter hat in den letzten Jahren in der Gesellschaft mehr Sichtbarkeit und eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz gewonnen. Ein wichtigerer Schritt um den Alltag für trans*, inter* und nicht-binäre Personen diskriminierungsärmer zu gestalten sind gesetzliche Verankerungen, die geschlechtliche Vielfalt auch rechtlich sichtbar machen. In diesem Sinne soll auch das geplante Selbstbestimmungsgesetz die Rechte für trans*, inter* und nicht-binäre Personen sicherstellen und stärken.

Ebenso sollte eine inklusive und vielfältige feministische Bewegung sich für die Rechte, die Inklusion und den Diskriminierungsschutz von allen Menschen einsetzen sowie die Vielfalt der Geschlechtsidentitäten und die Selbstbestimmung aller Personen anerkennen. Die legitimen Bedürfnisse von marginalisierten Gruppen dürfen deshalb nicht gegeneinander ausgespielt werden.