Die Forschung zu Stress am Arbeitsplatz ist mittlerweile extrem umfangreich. In der Arbeitspsychologie unterscheidet man dabei Stressoren, Ressourcen und Belastungen. Stressoren (z.B. Zeitdruck) sind solche Arbeitsbedingungen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu Belastungen (z.B. psychosomatische Beschwerden) führen. Ressourcen (z.B. soziale Unterstützung) hingegen können einerseits Belastungen reduzieren und zu einem positiven Erleben der Arbeitstätigkeit (z.B. Arbeitszufriedenheit) beitragen, oder zumindest die negativen Folgen von Stressoren verhindern.

Da der Großteil der Forschungen zu Stress am Arbeitsplatz Querschnittuntersuchungen auf Grundlage von Fragebogenerhebungen sind, bleiben allerdings oft zwei Aspekte zumindest unklar. Zum einen ist nicht gesichert, dass ein empirisch gefundener Zusammenhang in dem Sinn interpretiert werden kann, dass Stressoren tatsächlich Belastungen hervorrufen. Es könnte nämlich auch sein, dass stark belastete Personen auch vermehrt Stressoren wahrnehmen, die Ursache-Wirkungs-Beziehung also genau andersherum als vermutet verläuft. Zum anderen können sowohl berichtete Stressoren als auch Belastungen ausschließlich deswegen zusammenhängen, weil ihnen beiden eine gemeinsame Drittvariable zugrunde liegt.

Diese Uneindeutigkeiten bei der Interpretation empirischer Ergebnisse sind weniger problematisch, wenn Stress am Arbeitsplatz in Längsschnittuntersuchungen analysiert wird. Davon gibt es aber weltweit heute immer noch weniger als 50. Darüber hinaus schöpfen nahezu alle Untersuchungen die potentiellen Vorteile von Längsschnittuntersuchungen nicht aus. Dazu gehört insbesondere auch, dass man in Längsschnittuntersuchungen testen kann, in welche Richtung der Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Variablen verläuft. Ebenso stellt sich die Ungewissheit, ob empirisch gefundene Zusammenhänge lediglich Artefakte von Drittvariablen sind, als weniger problematisch dar. Neuere Entwicklungen, an denen wir seit längerer Zeit arbeiten, zeigen, dass sich in Längsschnittuntersuchungen auch ungemessene Drittvariablen als Verursacher von Zusammenhängen zwischen Stressoren, Ressourcen und Belastungen ausschließen lassen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Dieter Zapf


- Literatur -

Dormann, C., & Zapf, D. (2002). Social Stressors at Work, Irritation, and Depressive Symptoms: Accounting for Unmeasured Third Variables in a Multi-Wave Study. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 75, 33-58.

Dormann, C. (2001). Modeling Unmeasured Third Variables in Longitudinal Studies. Structural Equation Modeling, 8, 575-598.

de Jonge, J., Dormann, C., Janssen, P. P. M., Dollard, M. F., Landeweerd, J. A., & Nijhuis, F. J. N. (2001). Testing reciprocal relationships between job characteristics and psychological well-being: A cross-lagged structural equation model. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 74, 29-46.

Dormann, C., & Zapf, D. (1999). Social Support, Social Stressors at Work, and Depressive Symptoms: Testing for Main and Moderating Effects with Structural Equations in a Three-Wave Longitudinal Study. Journal of Applied Psychology, 84, 874-884.

Zapf, D., Dormann, C., & Frese, M. (1996). Longitudinal studies in organizational stress research: A review of the literature with reference to methodological issues. Journal of Occupational Health Psychology, 1, 145-169.