Aerosol und Spurengase

Partikelneubildung in der Atmosphäre

Atmosphärische Aerosolpartikel umfassen einen sehr weiten Größenbereich von ca. 1 Nanometer (0.001 Mikrometer) bis hin zu 100 Mikrometer. Die kleinsten dieser Partikel entstehen durch Nukleation, einem Prozess, der mit der Bildung von kleinen Clustern beginnt, welche zunächst nur wenige Moleküle beinhalten. Sehr oft verdampfen diese Cluster schnell wieder, unter geeigneten Bedingungen können sie jedoch thermodynamisch stabile Teilchen bilden. Durch weiteres Wachstum können die neuen Partikel auch Größen erreichen, die sie als Wolkenkondensationskeime qualifizieren (cloud condensation nuclei, CCN, mit Durchmessern von mindestens ca. 50 Nanometer). Aus diesem Grund ist Nukleation ein wichtiger Faktor im Zusammenspiel zwischen Aerosolteilchen, Wolken und Klima. Berechnungen mit globalen Modellen legen nahe, dass etwa die Hälfte der Wolkentröpfchen durch CCN gebildet werden, die ihren Ursprung in der Nukleation haben, wohingegen die andere Hälfte primäre Partikel beinhaltet (diese entstehen unter anderem aus Seesalz, Wüstenstaub, Verbrennung von Biomasse und fossilen Brennstoffen, biologische Komponenten, etc.). Die Untersuchung der Gesundheitseffekte von Nanopartikeln ist ein weiteres aktuelles Forschungsfeld. Da die kleinen Teilchen sehr weit in den Körper vordringen können, können sie potentiell größeren Schaden anrichten als größere Partikel. Trotz der hohen Relevanz, die die Nukleation auf Mensch und Umwelt (Klima) hat, gibt es immer noch viele offene Fragen zu den Prozessen, die bei der Partikelneubildung und dem Wachstum der neuen Teilchen ablaufen. 

Die wichtigsten Faktoren, die die Bildung von neuen Teilchen beeinflussen (das heißt, wie viele Partikel werden pro Zeit und Volumen gebildet) beinhalten die Anwesenheit von geeigneten Spurengasen, deren Konzentrationen, die Temperatur und, im Falle von ioneninduzierter Nukleation, die Ionisierungsrate. Spurengase, die als wichtig bei der atmosphärischen Nukleation identifiziert wurden sind hauptsächlich Schwefelsäure, Ammoniak, Amine, Iodoxide, Wasserdampf und hochoxidierte organische Moleküle. In den meisten Fällen kann allerdings ein Spurengas alleine (bei seinen für die Atmosphäre typischen Konzentrationen) nicht effizient neue Teilchen bilden. Aus diesem Grund müssen im Allgemeinen Mischungen vorliegen (z. B. Schwefelsäure-Wasser-Ammoniak) und es reicht nicht aus, nur ein einzelnes Spurengas in der Atmosphäre zu messen, um Partikelneubildungsereignisse zu beschreiben. Ein weiterer Faktor, der die Erforschung der atmosphärischen Nukleation erschwert ist die Tatsache, dass viele relevante Spurengase nur extrem geringe Konzentrationen aufweisen. Die Mischungsverhältnisse von Schwefelsäure betragen typischerweise gerade einmal 0.1 pptv (pptv = parts per trillion by volume, d. h., 0.1 pptv entsprechen 1 Molekül in 1013 anderen Luftmolekülen). Trotz allem können solch geringe Konzentrationen einen starken Einfluss auf den Mensch und das Klima haben (s. o.).

Forschungsaktivitäten

Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Erforschung der Mechanismen, die zur Partikelneubildung (Nukleation) führen. Diese Forschung wird hauptsächlich mit Geräten durchgeführt, die dafür konzipiert sind, geringste Konzentrationen von relevanten Spurengasen, wie Schwefelsäure, Ammoniak, Amine, Diamine, Iodsäure und hochoxidierten organischen Molekülen mit hoher Zeitauflösung zu messen. Die eingesetzten Geräte verwenden hochauflösende Flugzeitmassenspektrometer, die mit eigens entwickelten chemischen Ionisationsquellen gekoppelt sind. Um sehr geringe Nachweiseffizienzen zu erzielen arbeiten diese Ionenquellen bei Atmosphärendruck. Für die Messung von Schwefelsäure, Iodsäure und hochoxidierten organischen Molekülen werden Nitrat-Ionen (NO3) eingesetzt. Basische Spurengase wie Ammoniak, Amine und Diamine können mit protonierten Wasserclustern ((H2O)n>=1H3O+) nachgewiesen werden. Zur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung von Nanopartikeln wurde eine Methode entwickelt, die Partikel größenselektiv sammelt und vor dem Einlass eines der Massenspektrometer verdampft. Neben den Massenspektrometern und kommerziellen Spurengasmessgeräten (für SO2, O3, NOx, CO, CO2) verwenden wir mehrere Partikelzähler und –spektrometer zur Bestimmung der Aerosolgrößenverteilung (beginnend bei etwa 1 Nanomater bis hin zu mehren Mikrometern). Einige dieser Geräte wurden bei Feldmesskampagnen (z. B. am Taunusobservatorium, auf dem Jungfraujoch und in Vielbrunn) und bei Labormessungen (z. B. an einem Strömungsreaktor) eingesetzt. Am stärksten ist die Arbeitsgruppe allerdings im CLOUD (Cosmics Leaving OUtdoor Droplets) Projekt am CERN involviert. Im Rahmen von CLOUD wird Partikelneubildung und –wachstum in einem kontrollierten Kammerexperiment untersucht. Mit Hilfe einer hochreinen Edelstahlkammer (26.1 m3 Volumen) können atmosphärische Bedingungen in einer extrem gut kontrollierbaren Umgebung nachgestellt werden. In der nahen Zukunft sind Messungen mit einem unserer Massenspektrometer auf dem Forschungsflugzeug HALO im Amazonasgebiet geplant. Dort soll die Partikelneubildung in der oberen tropischen Troposphäre untersucht werden.