Dr. Astrid von Schlachta

Herrschaft und Toleranz. Reichsrechtlich nicht anerkannte Konfessionen zwischen Verfolgung und Akzeptanz in der Frühen Neuzeit

Die Landkarte der konfessionell devianten Untertanen oder Dissidenten ist im 17. und 18. Jahrhundert äußerst vielfältig. Nicht dem Bekenntnis des Landesherrn oder einem reichsrechtlich tolerierten Bekenntnis angehörende Untertanen lebten in den einzelnen Regionen des Reichs unter ganz verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen. Der Westfälische Frieden hatte für sie keine Verbesserung ihrer Situation gebracht. Oftmals änderten sich die Bedingungen und Auswanderungen waren der einzige Ausweg, um den Glauben weiterhin leben zu können.

Die Gewährung von Toleranz und die Erteilung von Privilegien waren meist verbunden mit wirtschaftlichen Interessen, religiöse Argumente waren keineswegs vordergründig. Gleiches gilt für die Rücknahme von Privilegien oder die Aufforderung zur Mehrheitskonfession zu konvertieren; auch hier waren wirtschaftliche Argumente vorrangig – Neid oder der Sündenbockgedanke spielten immer wieder eine Rolle. So ist für den untersuchten Zeitraum in den verschiedenen Regionen auf „Auf und Ab“ der Toleranz und Akzeptanz festzustellen. Diesen Umstand geschuldet waren Dissidenten einerseits ein Argument im Toleranzdiskurs. Andererseits erlaubt der Blick auf konfessionell deviante Gruppen eine Verortung von bisher in Untersuchungen zum Toleranzdiskurs nicht beachteten Beiträgen, die häufig aus den Reihen der verfolgten Untertanen oder ihrer „Sympathisanten“ kamen.

Der Blick richtet sich im vorliegenden Projekt auf täuferische Gruppen, auf Mennoniten, Schweizer Brüder, Taufgesinnte oder Doopsgezinde, auf Hutterer, aber auch auf Quäker und Schwenckfelder. Ihr Verhältnis zur Obrigkeit und zur umgebenden Gesellschaft änderte sich im 17. und 18. Jahrhundert. Die noch im 16. Jahrhundert postulierte „Absonderung“ – ein wichtiger Teil der Ekklesiologie täuferischer Gemeinden – wurde keineswegs mehr vollständig praktiziert. Die Übernahme obrigkeitlicher Ämter, die Ableistung des Bürgereides, Mischehen mit anderen Konfessionen sowie die Finanzierung von Kriegen bzw. die Zugehörigkeit zu Armee und Heer sind Parameter zur Bestimmung des Grades der Absonderung und der veränderten Einstellung zu Obrigkeit und Herrschaft.

Zwischen Mitgliedern konfessionell devianter Gruppen kam es im 17. und 18. Jahrhundert zu verstärkten Kontakten, die besonders durch Verfolgungssituationen bedingt waren. Eine zentrale Rolle nahmen die Doopsgezinden in den Niederlanden ein, die immer wieder politisch aktiv wurden, um für verfolgte Glaubensgeschwister Fürsprache einzulegen. So ist ein mehrstufiger Supplikationsweg zu erkennen, denn die Verfolgten wandten sich zunächst an die Doopsgezinden in der Niederlanden, die dann wiederum an die Generalstaaten supplizierten. Entschieden sich diese dafür, das Anliegen politisch aufzunehmen, traten die Generalstaaten in Kontakt mit den Obrigkeiten in den Regionen, wo Mandate gegen konfessionell deviante Untertanen in Kraft waren.

Die Auswahl der Regionen und Gruppen richtet sich nach den Phasen der Verfolgung. So stehen die habsburgischen Länder, die Schweiz, West- und Ostpreußen, Ostfriesland und die Pfalz im Mittelpunkt der Untersuchung.

Derzeitige Tätigkeit:

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl Neuere Geschichte (Frühe Neuzeit), Universität Regensburg

Kontakt

Dr. Astrid von Schlachta
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